Wer steckt hinter Purpose:Health e.V.? Mit einer kleinen Social-Media-Kennenlern-Aktion wollen wir uns nicht nur untereinander kennenlernen, sondern auch der Öffentlichkeit zeigen, wer wir sind und wofür wir stehen. In diesem Beitrag stellt sich unser Mitglied Kristina Wilms vor.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Bitte erzähle etwas über dich und deinen Bezug zum Gesundheitswesen!
Ich bin durch Zufall ins Gesundheitswesen gerutscht. Ursprünglich habe ich BWL, Philosophie und Kunst studiert und wollte in der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Microfinance arbeiten, habe auch im Ausland Erfahrungen gesammelt und danach einen Master im Bereich International Economics angefangen.
Dann wurde ich aber krank, hatte eine Depression und musste in die Klinik, woran sich das ganze Programm mit ambulanter Therapie anschloss. Währenddessen ist mir aufgefallen, dass die Versorgung von psychisch Erkrankten in Deutschland einfach nicht so gut ist und hatte das Gefühl, dass ich diese Lücke schließen möchte. Daraufhin habe ich die Idee für eine App für Menschen mit Depressionen entwickelt, die sie in der Therapie unterstützen soll.
Aus dieser Idee ist dann am Ende ein Unternehmen geworden – das klingt jetzt etwas schneller und einfacher, als es war, denn das war viel komplizierter *lacht* – und das war mein Einstieg ins Gesundheitswesen. Wir hatten dieses Unternehmen für etwa vier bis fünf Jahre, bis wir es 2018 wieder an HelloBetter verkauft hatten, das ist ein Onlinetherapie-Anbieter hier in Deutschland mit Sitz in Berlin.
Seitdem lässt mich das Gesundheitswesen nicht mehr los, auch wenn ich immer mal zwischendurch versuche, auszubrechen *lacht*. Momentan arbeite ich in zwei Projekten mit, einmal bei den Maltesern, wo wir eine digitale Plattform für trauernde Menschen aufbauen und zweitens bei dem Unternehmen Neurocare, das weltweit Psychotherapie auf der Grundlage von Neuromodulation und Feedback anbietet. Auch dort bin ich dafür verantwortlich, eine digitale Plattform aufzubauen, um die Therapiemaßnahmen miteinander zu verbinden und zu vereinfachen, dementsprechend bin ich besonders Digital Health-affin.
Die Themen Purpose, Impact und all die anderen wunderschönen Schlagworte sind mir quasi mit meinem Studium damals in die Wiege gelegt worden. Ich engagiere mich ganz stark für ein menschliches Gesundheitswesen und alle Projekte, die ich durchführe, müssen auf etwas größeres einzahlen. Auch durch mein eigenes unternehmerisches Handeln habe ich intensiv im Bereich „Social Entrepreneurship“ mitgewirkt, habe dort alle Stipendien und Workshops mitgenommen, die man sich vorstellen kann und bin sehr gut vernetzt in diesem Bereich.
Ich finde es sehr spannend, wie man das klassische Gesundheitswesen neu ausrichten kann, das ja danach schreit, auf mehr als auf den reinen unternehmerischen Gewinn ausgerichtet zu sein.
Das klassische Unternehmertum ist ja sehr oft auf Wachstum und Gewinnerzielung ausgerichtet. Viele Startups verfolgen das Ziel, nach einigen Jahren einen erfolgreichen Exit hinzulegen oder wollen langfristig von den Unternehmensgewinnen leben. Wie lässt sich das mit der Purpose-Orientierung vereinbaren?
Ich kann mich ja nur auf unser Beispiel beziehen. Wir haben damals komplett ganzheitlich gedacht und bei der Konzeption unseres Unternehmens mit der Vision angefangen und haben uns dann immer weiter herunter gearbeitet auf das Konkrete. Es war für uns immer wichtig, dass der Zweck unseres Unternehmens darin besteht, Menschen zu helfen. Für uns war das superwichtig und wir haben das konsequent umgesetzt.
Neben dem Unternehmen existierte noch ein Verein, der auch Anteile des Unternehmens gehalten hat, sodass die Gesellschafter gemeinsam mit dem Verein entscheiden konnten, was passiert. Jede Entscheidung wurde dahingehend hinterfragt, ob sie auf das große Ganze einzahlt. Wir haben mit dem Verein vor allem gegen Stigmatisierung psychisch Erkrankter gewirkt, weil es für uns ein wichtiger Aspekt der Heilung war, auch über die Erkrankung sprechen zu können.
Ich gehe noch einmal einen Schritt zurück auf die Meta-Ebene, weil du ja danach gefragt hast. Wenn man mal schaut, warum es überhaupt Unternehmen gibt, dann geht es doch ganz ursprünglich darum, dass ein Unternehmen dem Menschen dient und nicht andersherum. Jeder einzelne Geschäftsmann und jede einzelne Geschäftsfrau stehen in der Verantwortung, genau dafür zu sorgen. Wir alle müssen uns selbst bewusstwerden, wo unsere Verantwortung beginnt und wo sie aufhört. In meinen Augen tragen wir alle Verantwortung, weil wir sehr privilegiert sind in Deutschland.
Ich kann deine Gedankengänge sehr gut nachempfinden, weil ich es prinzipiell genau so sehe. Das bringt mich zu der Frage wie man all das praktisch umsetzen kann. Es ist ja auch in Ordnung, wenn Menschen mit Ihrer Arbeit gutes Geld verdienen.
Total!
Wie kriegt man es denn in der Unternehmenskonstitution hin, dass nicht eine Interessensgruppe deutlich bevorzugt wird, sondern die Interessen aller Interessengruppen gleichermaßen berücksichtigt werden?
Das ist eine offene Frage! Ich glaube halt, dass man ein Stück weit weg muss von der Maxime, Shareholder Value zu erzeugen und eher hin muss zu einem Nutzer-Value. Es gibt ein ganz tolles Konzept, in dem es darum geht, dass man weg geht von einem ego-zentrischen Bild hin zu einem eco-zentrischen Bild, bei dem ich die Umwelt und alle Ressourcen, die ich nutze, mit einbeziehe. Zu den Ressourcen zählt natürlich die Umwelt auf der einen Seite, aber auch Mitarbeitende zum Beispiel. Und wenn ich darauf achte, dass alle Stakeholder einen Nutzen von meiner Unternehmung haben, dann kann ich fast nichts mehr falsch machen.
Wie sollten wir mit dem Verein Purpose:Health e.V. Einfluss auf die Gestaltung des Gesundheitswesens nehmen, um etwas zu bewegen und nicht nur darüber zu sprechen?
Ein Verein könnte dazu beitragen, Pilotprojekte anzustoßen und beratend zu begleiten. Das könnte vor allem für Menschen interessant sein, die das Thema spannend finden, aber nicht so genau wissen, wo man anfangen kann. Es ist ja Teil einer Grassroot-Bewegung [Anm.: basisdemokratische politische oder gesellschaftliche Initiative, die aus der Basis der Bevölkerung entsteht], dass man einfach mal anfängt und Dinge macht. Vielleicht funktioniert das nicht immer perfekt, aber daraus lernt man und macht dann weiter. Es besteht ja kein Zweifel daran, dass es so wie es ist, nicht weitergehen kann. Dementsprechend braucht es mutige Menschen, die voranschreiten und Dinge neu denken.
Ich glaube, dass es auch sehr wichtig ist, Beispiele zu geben. Es ist insbesondere im universitären Kontext einfach, darüber zu sprechen und Konzepte zu entwerfen, aber ich finde es immer spannend und sehr inspirierend zu sehen, wo das schon funktioniert und wo das schon umgesetzt wurde. Denn so ganz neu ist die Idee der Purpose-Economy nicht, es gibt ja auch in der Geschichte viele Beispiele dafür, wie die Idee sehr konsequent umgesetzt wurde.
Purpose-Economy ist ja in vielen Kreisen momentan der heiße Scheiß, aber ich glaube, dass die Menschheit schon immer Purpose Economy betrieben hat und diese Form der Zusammenarbeit lediglich in den letzten Jahrzehnten in Vergessenheit geraten ist
Ich glaube auch, dass es ein natürliches Anliegen von Menschen ist, das zu tun, weil Menschen ja auch gesünder sind, wenn sie sinnstiftend arbeiten und moralisch wie ethisch korrekt agieren dürfen. Aber ich finde, dass es den Menschen in dem System, in dem wir leben und arbeiten, oft sehr schwer gemacht wird, sich so zu verhalten, was ja total paradox ist. Es ist einfacher fast Fashion im Discounter zu kaufen als nachhaltig produzierte Mode, bei der keine Kinderarbeit Bestandteil der Wertschöpfungskette ist.
Im Vorgespräch hast du von Projektideen erzählt, die gemeinsam mit Purpose:Health e.V. umgesetzt werden und zu einer Verbesserung des Gesundheitswesens führen könnten. Woran denkst du dabei?
Ich habe leider kein Projekt ganz konkret ausgearbeitet in der Schublade. Aber was ich an dem Verein spannend finde ist neben der Tatsache, dass es sich dabei um ein Rechtsorgan handelt, dass es so viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen gibt, Querbeet durch das Gesundheitssystem und das bedeutet, dass es extrem viele Perspektiven gibt, die man insbesondere im Bereich der Innovationen nutzen kann. Innovation entsteht dadurch, dass ich mit einem interdisziplinären Team versuche, ein Problem zu lösen und es gibt kaum interdisziplinärer im Bereich Gesundheit als in diesem Verein.
Ich habe beispielsweise mal einen Workshop gemacht, wo wir eine ganz spannende neue Innovationsmethode genutzt haben, um ein nachhaltiges Gesundheitssystem zu erträumen. Das war total interessant, wobei die Teilnehmer:innen größtenteils nicht aus dem Gesundheitswesen kamen. Das war sehr spannend, weil sich daraus völlig neue Perspektiven ergeben haben, und das fände ich auch spannend für die Mitglieder des Vereins. Wir sind ein ganz toller Think Tank, den man für innovative Ideen anzapfen könnte.
Vielen Dank für das spannende und inspirierende Interview!
Das Interview führte Felix Hoffmann am 11.11.2021
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